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Über den Einfluß von Rotschlamm auf die Kultur einiger mariner Planktonalgen

On the effect of red mud on the culture of some marine plankton algae

Abstract

“Red mud” originates from bauxite processing, the first step of aluminium production. A newly constructed plant intends to release about 800 000 tons of this waste product into the southern North Sea. The effect of red mud on the culture of some marine algae was investigated. The dinoflagellatesPeridinium trochoideum, Prorocentrum micans andGymnodinium splendens, and the diatomsCoscinodiscus granii andChaetoceros socialis served as test organisms. They were examined in batch cultures and in continuous cultures (turbidostats) to which 0.001 to 50 g of red mud per 1 sea water was added. Multiplication rates of the algae were chosen as criterion for assessing the influence of red mud. Maximum cell densities of the batch cultures were also determined. When red mud was added to the batch cultures once, at the beginning of the experiments, the test algae exhibited initial reductions in population growth at 0.005 up to 0.5 g of red mud/l sea water, depending on the species. In most experiments they recovered from initial growth-rate reduction and grew to nearly the same cell densities as did the controls. In the continuous cultures, suspended red mud was added daily. After 9 days, this caused irreversible break-down ofPeridinium trochoideum populations at 0.01 g red mud/l/day.Coscinodiscus granii populations were irreversibly damaged at 0.05 g/l/day;Prorocentrum micans, at 0.5 g/l/day. All test algae represent euryplastic forms. Other, more stenoplastic planktonic algae species are likely to be less tolerant to red mud exposure.

Zusammenfassung

1. Rotschlamm ist ein bei der Aluminiumgewinnung aus Bauxit anfallendes Abfallprodukt. Der Antrag eines Industrieunternehmens auf Verklappung von ca. 800 000 t Rotschlamm (Naßgewicht) pro Jahr in der Nordsee gab den unmittelbaren Anlaß zur Aufnahme von Laborversuchen über die Wirkung auf marine Planktonalgen. Als Testformen dienten die DinoflagellatenPeridinium trochoideum, Gymnodinium splendens undProrocentrum micans sowie die DiatomeenCoscinodiscus granii undChaetoceros socialis. Die Algen wurden sowohl im Batch-Verfahren als auch im kontinuierlichen Verfahren nach dem Turbidostatprinzip gezüchtet.

2. Rotschlamm wurde den Kulturen im Batch-Verfahren einmalig bei Versuchsbeginn fein suspendiert zugesetzt und je nach Versuchsanordnung entweder der Sedimentation überlassen oder durch regelmäßiges Aufschütteln bzw. vermittels eines Rührwerkes soweit wie möglich in Turbulenz gehalten. Im kontinuierlichen Verfahren wurde den Kulturen während der gesamten Versuchsdauer täglich frischer Rotschlamm zudosiert und der Sedimentation überlassen. Die Menge des zugegebenen Rotschlammes variierte je nach Versuchsanordnung zwischen 0,001 und 50 g(Naßgewicht)/l Seewasser.

3. Als Kriterien einer Schädigung dienten die Beeinflussung der Vermehrungsrate der Algen und die maximal erreichbare Zelldichte der Kulturen. Zugleich wurden die letalen Grenzkonzentrationen bestimmt.

4. Die Testversuche zeigten, daß die Empfindlichkeit gegenüber Rotschlamm wesentlich von der verwendeten Algenart und von der jeweiligen Versuchsanordnung abhängt. Reversible Anfangsschädigungen wurden im Batch-Verfahren bei 0,005 g/l(Coscinodiscus granii), 0,01 g/l(Gymnodinium splendens), 0,05 g/l(Peridinium trochoideum undProrocentrum micans) und 0,5 g/l(Chaetoceros socialis) nachgewiesen. Irreversible Schädigung führte im kontinuierlichen Verfahren bei täglicher Zudosierung des Rotschlammes in Mengen von 0,01 g/l(Peridinium trochoideum), 0,05 g/l(Coscinodiscus granii) und 0,5 g/l(Prorocentrum micans) zum Absterben der Kulturen.

5. Die Anfangsschädigung ist in erster Linie auf mechanische Wirkung unmittelbar nach Zugabe des frischen Rotschlammes zum Meerwasser zurückzuführen. Die Partikel sedimentieren unter lockerer Koagulation und reißen die Algen mit sich. Gealterte Rotschlammpartikel erweisen sich als weniger schädlich. In höheren Konzentrationen kann eine toxische Wirkung hinzukommen (0,5 g/l Rotschlamm beiGymnodinium splendens), die sich jedoch erst nach längerer Versuchsdauer bemerkbar macht.

6. Da die verwendeten Testalgen den relativ robusten Planktonformen zugehören, ist bei einer Übertragung der Ergebnisse auf die in See eintretende Gesamtsituation damit zu rechnen, daß viele andere Planktonalgen gegenüber einer Rotschlammverklappung noch empfindlicher reagieren.

7. In einer Literaturübersicht werden die von anderen Autoren an repräsentativen Gliedern der Nahrungskette (Algen, Fischnährtiere und Fische) ermittelten wichtigsten Ergebnisse von Rotschlammversuchen kurz referiert und den vorliegenden Ergebnissen gegenübergestellt. In einer gemeinsamen Stellungnahme mehrerer bundesdeutscher Institute wird aus den angeführten Untersuchungen die Schlußfolgerung gezogen, daß einer Einbringung von Rotschlamm in die Nordsee nicht zugestimmt werden kann.

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Kayser, H. Über den Einfluß von Rotschlamm auf die Kultur einiger mariner Planktonalgen. Helgolander Wiss. Meeresunters 25, 357–383 (1973). https://doi.org/10.1007/BF01611204

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